Der Verlauf der Sozialentwicklung und die Beziehung zu Erwachsenen

oder: Warum wir lieber vom Autonomiealter anstatt von der Trotzphase sprechen sollten …


Der Mensch ist nun einmal auf das Zusammenleben mit anderen Menschen angewiesen. Das Sozialverhalten ist jedoch nicht angeboren, sondern muss zunächst gelernt werden.

Unter “Sozialverhalten” versteht man jedes Verhalten, das den Umgang mit anderen Menschen betrifft(z.B. Freundschaften schließen und aufrechterhalten)


Dabei lässt sich der Verlauf der Sozialentwicklung bei Kindern und Jugendlichen ganz grob in drei Bereiche gliedern:

  1. Zunächst bestehen soziale Kontakte hauptsächlich zu erwachsenen Betreuungspersonen.
  2. Mit dem Eintritt in den Kindergarten gewinnen die Gleichaltrigen an Bedeutung.
  3. In der Pubertät löst sich der Jugendliche emotional von der Familie und wendet sich verstärkt dem Freundeskreis zu. 🤔

Für deine Arbeit mit Kindern ist es besonders wichtig, dir die Sozialentwicklung eines Kindes in Bezug auf diese beiden Beziehungen anzuschauen: Die Beziehung zu Erwachsenen und die Beziehung zu Gleichaltrigen.

Fangen wir hier zunächst mit der Beziehung zu Erwachsenen an. 😉


Die Beziehung zu Erwachsenen

Die erste soziale Beziehung eines Kindes besteht zwischen ihm und seiner Betreuungsperson. Das Neugeborene ist mit bestimmten Merkmalen und Fähigkeiten ausgestattet, die erwachsene Personen dazu bewegen, sich ihm zuzuwenden.

Zu diesen Merkmalen zählen die drei folgenden:

  1. das Aussehen des KindesDer Anblick eines Babykopfes löst beim Erwachsenen automatisch Zuwendungsverhalten aus. Das liegt am sogenannten “Kindchenschema”: eine hohe Stirn; große, tiefliegende Augen; ausgeprägte Wangen… Wir bezeichnen dies als “süß” und wenden uns dem Baby zu.
  2. die Fähigkeit des Kindes, bestimmte Signale aus der Umwelt zu beobachten: Bereits Neugeborene beachten bevorzugt Signale aus der Umwelt, die mit sozialer Beziehung zu tun haben. Sie lauschen der menschlichen Stimme, zeigen großes Interesse am menschlichen Gesicht usw.
  3. die Fähigkeit des Kindes, Signale auszusenden, die sozial gedeutet werden: Es lächelt und schmiegt sich an; in bedrohlichen Situationen weint es oder klammert sich an die Bezugsperson usw.

An dieser Stelle greife ich kurz die Bindungstheorie auf. Die in einem anderen Beitrag bereits erwähnt wurde… 🤓 Sie zu verstehen, leistet nämlich hier einen enorm wichtigen Beitrag zur Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem.


Wie entsteht Bindung?

  • Von Beginn an zeigt das Kind sog. Bindungsverhaltensweisen (s.o. weinen, sich anschmiegen), die jedoch nicht an eine bestimmte Person gebunden sind!!
  • Erst durch die häufige Interaktion mit einer Betreuungsperson entsteht eine Bindung:
    • mit 6 Monaten: das Kind wendet sich verstärkt der Bezugsperson zu (v.a. in “gefährlichen” Situationen; wenn es müde ist, Trost sucht…)
    • Fremdeln (etwa um den 8. Monat, auch: “Acht-Monats-Angst”): das Kind reagiert auf fremde Personen abwehrend.
    • Trennungsangst: tritt auf, wenn das Kind in einer unbekannten Umgebung von der Bezugsperson allein gelassen wird
    • Fremdeln und Trennungsangst kommt bei nahezu allen Kindern in allen Kulturen vor!

Ist eine Bindung entstanden, so lässt sich diese in sichere oder unsichere Bindung unterscheiden bzw. den vier Bindungsqualitäten zuordnen. Doch hierzu – wie gesagt – anderer Stelle mehr! 😉


Bindung als Grundlage für die weitere soziale Entwicklung

Die Bindung spielt eine enorm wichtige Rolle in der Beziehung zu Erwachsenen. Eine gelungene Bindung ist die Grundlage für die weitere Sozialentwicklung!

  • Beim Kind beginnt als nächstes ein langsamer, aber ständig fortschreitender Ablösungsprozess. Es wird mobiler, lernt zu sprechen, erkundet seine Umwelt und auch andere Personen. Die Bezugsperson dient hier als eine Art Sicherheitsbasis. Dorthin kehrt das Kind zurück in Situationen, in denen es Schutz und Trost sucht. 
  • In diesem Ablösungsprozess vollzieht sich aber noch ein weiterer entscheidender Schritt: die Entdeckung der eigenen Person! (zwischen 1 1/2 und 3 Jahren) Das Kind sagt nun “Ich” statt dem eigenen Namen und erkennt sich im Spiegel. Nun möchte es herausfinden, was es alles kann und wo seine Grenzen liegen. 
  • Dabei kann es nun häufiger zu Konflikten mit Erziehungspersonen kommen, die beim Kind oft in Wutausbrüchen münden. Im Erziehungsalltag spricht man in diesem Zusammenhang häufig von der Trotzphase”, was jedoch eine ungünstige Begriffswahl darstellt, denn das Kind möchte gar nicht dem Erwachsenen trotzen, sondern nur herausfinden, was es bewirken kann und wo die Grenzen sind!
  • Deswegen solltest du viel lieber vom “Autonomiealter” sprechen. Denn das Kind ist nur bestrebt, seine Eigenständigkeit zu erproben! 

Mit dem Eintritt in den Kindergarten und später der Schule erweitert sich das soziale Bezugssystem des Kindes. Im Jugendalter kommt es dann zu einer bewussten emotionalen Ablösung von den Eltern, was häufig durch Konflikte mit den Eltern geprägt ist. Der Jugendliche wendet sich nun verstärkt dem Freundeskreis zu.

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